In diesem Blogbeitrag stehen die praktischen Betrachtungen und verschiedenen Tests im Fokus, die Sie bei der Kalibrierung Ihrer Waagen durchführen sollten.
Waagen, wägetechnische Geräte, Wägeinstrumente… unterschiedliche Quellen verwenden unterschiedliche Fachterminologien. Ich werde in diesem Artikel hauptsächlich den Begriff „Waage“ benutzen.
Die Wägetechnik ist ein in der industriellen Messtechnik weit verbreitetes Messverfahren für diverse Applikationen. Einige Waagen sind kleine Laborinstrumente, die wenige Gramm messen und sehr präzise sind. Bei anderen handelt es sich wiederum um sehr große industrielle Wägeinstrumente, die zum Beispiel das Gewicht von LKWs messen. Wir sehen alle in unserem täglichen Leben Waagen um uns herum, zum Beispiel wenn wir in einem Lebensmittelgeschäft das Gemüse wiegen.
Wie alle Messinstrumente müssen auch Waagen regelmäßig kalibriert werden, um eine korrekte und präzise Messung zu gewährleisten. Eine einwandfreie, messtechnisch nachvollziehbare Kalibrierung ist der einzige Weg, um zu wissen, wie genau Waagen messen. Viele Wägeinstrumente werden für gesetzliche Messungen oder Messungen eingesetzt, die als Basis für Geldtransfers verwendet werden und Teil eines gesetzlich vorgeschriebenen, auf Rechtsvorschriften basierenden Prüfprogramms sind. Oft basiert die Kalibrierung von Waagen auf einem Qualitätssystem (wie ISO 9000), dem Gesundheitswesen, Verkehrswesen (Luft- /Schifffahrt), Sicherheitswesen oder gerichtlichen Untersuchungen. Es gibt spezielle Bestimmungen für Waagen und ihre Kalibrierung (EURAMET Leitfaden zur Kalibrierung, NIST Handbuch 44, OIML); mehr darüber im weiteren Verlauf des Artikels.
In diesem Artikel liegt der Schwerpunkt auf den praktischen Betrachtungen und auf den verschiedenen Tests, die bei der Kalibrierung von Waagen vorgenommen werden sollten.
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Kalibrierung von Waagen
Beginnen wir mit der Betrachtung einiger Vorbereitungen, die vor der Kalibrierung getroffen werden sollten, um uns dann den verschiedenen durchzuführenden Tests zuzuwenden.
1. Vorbereitungen vor der Kalibrierung
Bevor Sie mit der Kalibrierung der Waage beginnen können, müssen ein paar Dinge geklärt und vorbereitet werden. Sie sollten die technischen Eigenschaften der Waage herausfinden (Höchstgewicht, D-Wert), die Genauigkeitsanforderung (maximal zulässige Fehlergröße und Unsicherheitsfaktor) und was im Fall einer nicht gelungenen Kalibrierung zu tun ist (Justierung).
Normalerweise wird der gesamte Messbereich kalibriert und die Kalibrierung findet am Einsatzort des Geräts statt. Stellen sie sicher, dass Sie ausreichend Gewichte für den Kalibriervorgang verfügbar halten.
Die Waage sollte mindestens 30 Minuten vor der Kalibrierung eingeschaltet werden. Die Temperatur der Gewichte sollte die gleiche sein wie die Temperatur, in der die Kalibrierung erfolgen wird.
Insbesondere im Fall von kleinen und sehr präzisen Waagen, sollte sich diese auf einer horizontalen Ebene befinden. Führen Sie ein paar Vorprüfungen mit Gewichten bis nahe zum Höchstgewicht auf der Skala des Geräts durch, um sicherzustellen, dass es korrekt funktioniert.
Sollte die Kalibrierung der Waage scheitern und es wird justiert, sollten Sie eine Kalibrierung „wie vorgefunden“ vor der Justierung und eine Kalibrierung „wie verlassen“ nach der Justierung vornehmen.
Werfen wir als Nächstes einen Blick auf die einzelnen Tests, die während der Kalibrierung durchgeführt werden sollten.
2. Eckenlastprüfung
Beim normalen Gebrauch der Waage wird die Last nicht immer perfekt in der Mitte des Lastaufnehmers platziert. Manchmal können die Resultate geringfügig abweichen, wenn die Lasten an verschiedenen Stellen auf dem Lastaufnehmer platziert werden. Um zu prüfen, wie stark die Auswirkung der Platzierungsstelle der Last ist, wird die Eckenlastprüfung vorgenommen.
Bei der Eckenlastprüfung wird die Referenzlast auf mehreren spezifizierten Stellen auf dem Lastaufnehmer platziert. Zuerst wird die Last in der Mitte des Lastaufnehmers platziert (Gewichtsschwerpunkt der Last) und das Resultat betrachtet. Dann wird die Last in vier verschiedenen Bereichen des Lastaufnehmers platziert, wie in der Abbildung dargestellt.
Die obenstehende Abbildung bezieht sich auf rechteckige und runde Lastaufnehmer. Natürlich gibt es in der Praxis viele verschiedene Formen von Lastaufnehmern, wodurch sich die Platzierungsstelle der Last ändert. Die Standards OIML R76 und EN 45501 geben Orientierungshilfen für die unterschiedlichen Formen der Lastaufnehmer.
Die Kalibrierprozedur sollte vorsehen, wo die Last während der Prüfung platziert werden soll und die Kalibrierergebnisse (im Zertifikatformat) sollten ebenfalls die Stellen dokumentieren.
Die bei der Eckenlastprüfung verwendete Prüflast sollte mindestens einem Drittel (1/3) des Höchstgewichts der Waage entsprechen. Die Prüfung sollte vorzugsweise und falls möglich mit nur einer Prüflast durchgeführt werden. Auf diese Weise wird einfacher sichergestellt, dass sich der Schwerpunkt der Last an der spezifischen Stelle befindet. Bei einer Waage mit mehreren Messbereichen sollte die Eckenlastprüfung im höchsten Messbereich erfolgen.
Da das Ziel der Eckenlastprüfung die Feststellung der Differenz ist, die durch die Positionierungsstelle der Last verursacht wird, ist eine präzise Kalibrierung der Last nicht erforderlich. Es ist natürlich wichtig, dass während der gesamten Prüfung die gleiche Last verwendet wird.
Wird die Eckenlastprüfung auch zur Bestimmung der Anzeigefehler eingesetzt, muss eine kalibrierte Last verwendet werden.
Vorgehensweise für die Eckenlastprüfung
Vor Beginn der Prüfung wird die Anzeige auf null gesetzt. Die Prüflast wird auf Stelle 1 platziert und die Anzeige vermerkt. Die Prüflast wird dann auf Stelle 2 bis 5 platziert und die Anzeige auf jeder Stelle notiert. Abschließend wird die Prüflast erneut auf Stelle 1 platziert, um zu überprüfen, ob die Anzeige nicht von der vorangegangenen Anzeige auf Stelle 1 abweicht.
Die Nullpunkt-Anzeige sollte zwischen jedem Stellenwechsel überprüft werden, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht verändert hat. Falls erforderlich, kann das Gerät zwischen den einzelnen Prüfungen auf null gesetzt werden.
Alternativ kann das Gerät tariert werden, wenn sich die Last auf Stelle 1 befindet; auf diese Weise können Differenzen zwischen den einzelnen Stellen besser erkannt werden.
3. Wiederholbarkeitsprüfung
Wie jedes Gerät, so leiden auch Waagen durch wiederholten Gebrauch. Das bedeutet ein nicht immer exakt gleiches Ergebnis nach mehrmaligem Messen der gleichen Last. Um die Wiederholgenauigkeit des Geräts herauszufinden, wird eine Wiederholbarkeitsprüfung durchgeführt.
Die Wiederholbarkeitsprüfung wird durchgeführt, indem die gleiche Last mehrmals auf die gleiche Stelle des Lastaufnehmers gelegt wird (um jegliche Eckenlastfehler zu vermeiden). Die Prüfung muss unter gleichen, konstanten Bedingungen und mit identischer Handhabung erfolgen. Das Gewicht der Last muss nahe der Höchstlast des Geräts liegen.
Wiederholbarkeitsprüfungen werden oft mit nur einer Last durchgeführt, es können auch verschiedene Lastgewichte separat geprüft werden.
Die Last muss nicht zwingend eine kalibrierte Last sein, da der Prüfungszweck in der Wiederholgenauigkeit liegt. Falls möglich, sollte die verwendete Last eine einzelne Last sein (nicht mehrere kleinere Lasten).
Eine Wiederholbarkeitsprüfung erfolgt normalerweise durch eine mindestens fünf Mal aufeinanderfolgende Wiederholung der Messung. Bei Geräten mit hohem Messbereich (über 100 kg / 220 lbs), muss die Wiederholung mindestens drei Mal erfolgen.
In der Wiederholbarkeitsprüfung wird das Gerät zuerst auf null gesetzt, dann die Last auf den Lastaufnehmer platziert und nach Stabilisierung die Anzeige vermerkt. Die Last wird entnommen, die Nullpunktanzeige überprüft und falls erforderlich der Nullabgleich vorgenommen. Dann wird die Last erneut platziert und so weiter.
Bei Vielfachinstrumenten ist eine Last nahe dem ersten Höchstmessbereich meistens ausreichend, jedoch nicht darüber.
4. Testwägung
Zweck der Testwägung ist die Prüfung der Präzision (Kalibrierung) der Waage in ihrem gesamten Messbereich in verschiedenen Schritten mit zunehmendem und abnehmendem Gewicht.
Die meist verbreitete Praxis ist folgende: Nullabgleich des Geräts ohne irgendeine Last. Platzieren der Last auf dem ersten Prüfpunkt, Stabilisierung abwarten und Anzeige vermerken. Fortführung der Verstärkung der Lasten über alle zunehmenden Prüfpunkte. Nach Vermerken der Höchstlast mit der Minderung der Lasten und Prüfpunkte beginnen.
In einigen Fällen kann die Waage lediglich durch Verstärkung oder lediglich durch Minderung der Lasten kalibriert werden. Normalerweise werden 5 bis 10 unterschiedliche Lasten (Prüfpunkte) verwendet. Das höchste Gewicht der Last muss nahe der Höchstlast des Geräts liegen. Die kleinste Prüflast kann 10% der Höchstlast entsprechen oder dem normalerweise kleinsten verwendeten Gewicht. In der Regel werden die Prüfpunkte so gewählt, dass sie gleichmäßig über den Messbereich verteilt sind. Es können mehrere Prüfpunkte für den üblichen Messbereichsgebrauch des Geräts verwendet werden.
Bei Vielfachinstrumenten muss jeder Messbereich separat kalibriert werden.
Linearität
Bei einer Testwägung mit verschiedenen Punkten im Messbereich des Geräts können Linearitätsfehler aufgedeckt werden. Dieser Fehler bedeutet, dass das Gerät innerhalb des Messbereiches nicht mit gleichbleibender Präzision misst. Wenn auch der Nullpunkt und der Messbereichsendwert korrekt sind, können in der Mitte des Messbereiches Fehler liegen, die als Linearitätsfehler oder Nichtlinearität bezeichnet werden.
Die untenstehende Abbildung ist eine allgemeine Darstellung für Nichtlinearität. Trotz der korrekten Justierung des Nullpunktes und des Messbereichsendwertes, liegt im mittleren Bereich aufgrund der Nichtlinearität des Geräts ein Fehler vor:
Hysterese
Die Hysterese ist die Differenz in der Anzeige eines Prüfpunktes, der durch Hinzufügen eines Gewichtes erreicht wurde und der Anzeige desselben Prüfpunktes bei abnehmendem Gewichtsverlauf. Um eine Hysterese zu erkennen, muss die Kalibrierung mit zunehmenden und abnehmenden Punkten durchgeführt werden.
Bei einer Testwägung und Erhöhung oder Verminderung der Last ist es wichtig, eine Über- oder Unterschreitung zu vermeiden. Dies bedeutet für eine Aufwärtskalibrierung, dass bei jedem Prüfpunkt ein Gewicht hinzugefügt werden muss. Sie sollten demnach nicht zu viel Gewicht hinzufügen und es dann wieder entfernen, da Sie auf diese Weise die Hysterese-Information verlieren.
Ebenso muss bei einer Abwärtskalibrierung der Prüfpunkt durch Entfernen eines Gewichtes erreicht werden. Entsprechend muss für die Durchführbarkeit der Einsatz der Prüfgewichte im Voraus geplant werden.
Die untenstehende Abbildung ist eine allgemeine Darstellung einer Hysterese. Nach Kalibrierung des Geräts sind die Ergebnisse mit zunehmenden und abnehmenden Kalibrierpunkten unterschiedlich:
5. Minimaleinwaage
Die Minimaleinwaage ist eine Prüfung, die nicht immer verlangt wird. Diese Prüfung wird nur in bestimmten
Industriesektoren verlangt, wie zum Beispiel in der pharmazeutischen Industrie.
Ziel der Minimaleinwaage ist es, die kleinste messbare Last herauszufinden, wobei noch verlässliche Messwerte erzielt und die Präzisionsanforderungen erfüllt werden können. Bei kleiner werdenden Messwerten wird normalerweise der entsprechende Fehler bei der Ablesung höher. Die Waage sollte nicht für das Messen von jenen Lasten verwendet werden, die unter der Mindestlast liegen.
Für die Minimaleinwaage stützen sich die beiden Hauptstandards auf unterschiedliche Konzepte. Werfen wir einen kurzen Blick darauf:
Die US-amerikanische Richtlinie Pharmacopeia (Kapitel 41)
- Nach den letzten Änderungen innerhalb der Richtlinie bezieht sich diese nicht mehr auf eine Minimaleinwaage, sondern hat diese durch die Anforderung ersetzt, den Minimalmessbereich bei dem Punkt festzulegen, bei dem die Wiederholbarkeit des Geräts (zweimal Standardabweichung) 0,10 % der Ablesung beträgt.
In der Praxis bedeutet das, dass die Standardabweichung zwar minimal sein kann, aber das zu messende Minimalgewicht keinesfalls kleiner sein darf als das achthundertzwanzigfache des aktuellen Teilwertes (d).
EURAMET Leitfaden zur Kalibrierung 18 (Anhang G)
- Verfolgt das Prinzip, dass die Messunsicherheit für jeden Kalibrierpunkt berechnet wird und die kleinste verwendbare Last der Punkt ist, wo die Messunsicherheit noch klein genug für die Anforderungen an das Gerät ist.
6. Sonstige Prüfungen
Es gibt ein paar weitere Prüfungen, die in den Standards spezifiziert werden, wenn auch diese normalerweise nicht
bei einer üblichen Kalibrierung durchgeführt werden, jedoch als eine Art Zulassungstest oder bei einer ersten Bewertung vorgenommen werden können.
Beispiele für diese Prüfungen sind:
• Tarawägung
• Diskriminationstest
• Zeitliche Anzeigeschwankungen
• Test zur magnetischen Wechselwirkung
Weitere Themenfelder im zugehörigen White Paper
Um zu vermeiden, dass dieser Blogbeitrag zu lang wird, laden Sie bitte das entsprechende White Paper herunter, um mehr zu diesem Thema zu erfahren. Das White Paper behandelt die folgenden zusätzlichen Themenfelder:
Gewichte
- Handhabung von Gewichten
- Nennmasse / konventionelle Masse
- Kalibrierung von Gewichten
- Lokale Gravitation
- Luftauftrieb
- Einfluss der Konvektion
- Ersatzlast
Kalibrierzertifikat
- Welche Informationen sollte das Kalibrierzertifikat enthalten.
Messunsicherheit
- Welche Faktoren führen zu Unsicherheiten bei der Kalibrierung von Waagen.
Geräte-, Toleranzklassen, maximal zulässiger Fehler
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Zugehörige Beamex-Produkte
Neben vielen anderen Funktionen verfügt die Beamex CMX-Kalibrier-Management-Software über eine spezielle Funktion für die Kalibrierung von Waagen. Diese gibt es schon seit mehr als 10 Jahren. CMX unterstützt verschiedene Prüfungen wie Eckenlast-, Wiederholbarkeits-, Wägeprüfungen sowie Minimaleinwaagen. Sowohl OIML- als auch NIST-Handbuch-Genauigkeitsklassen (einschließlich der neusten USP 41-Aktualisierungen) werden unterstützt. Die Funktionalität kann entweder mit einem Computer oder mit einem mobilen Gerät verwendet werden.
Weitere Informationen zur Beamex CMX und dessen Kalibriermodul für Waagen finden Sie innerhalb der Broschüre auf der CMX-Produktseite oder erhalten Sie weitere Informationen durch die direkte Kontaktaufnahme mit Beamex.
Themenbezogene verweise
Die meisten relevanten Verweise zu diesem Thema sind folgende, dennoch nicht nur auf diese Aufzählung beschränkt:
• EURAMET Richtlinie zur Kalibrierung nichtselbsttätiger Waagen Nr. 18, Version 4.0 (11/2015)
• EN 45501:2015 - Metrologische Aspekte nicht selbsttätiger Waagen
• NIST Handbuch 44 (Ausgabe 2017) - Spezifikationen, Toleranzen und andere technische Anforderungen für Wiege- und Messinstrumente
• EA-4/02 (2013) - Beurteilung von Messunsicherheiten bei Kalibrierungen
• JCGM 100:2008 - Auswertung von Messdaten — Leitfaden zur Angabe von Messunsicherheiten
• JCGM 200:2008 - Internationales Wörterbuch der Metrologie – Grundlegende und allgemeine Konzepte und zugeordnete Begriffe
• OIML R76-1 - Nicht selbsttätige Waagen Teil 1: Metrologische und technische Anforderungen - Tests
• OIML R 111 - OIML R111: Gewichte der Klassen E1, E2, F1, F2, M1, M1-2, M2, M2-3 und M3
• RICHTLINIE 2009/23/EC (2009) - Nicht selbsttätige Waagen
Original post: Weighing scale calibration - How to calibrate weighing instruments
Original post published: 16 may 2017
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