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Messtechnische Rückführbarkeit in der Kalibrierung – Sind Ihre Messungen rückführbar?

Geschrieben von Heikki Laurila | 20.11.2017

Was bedeutet messtechnische Rückführbarkeit in der Kalibrierung und wie können Sie Ihre Messungen rückführbar machen?

 
Die messtechnische Rückführbarkeit ist ein grundlegendes Konzept in der Kalibrierung. Wenn die Kalibrierungen, die Sie in Ihrem Werk durchführen nicht rückführbar sind, können Sie nicht wissen, ob sie korrekt sind oder nicht und demzufolge machen derartige Kalibrierungen überhaupt keinen Sinn.


In der Praxis hört man von Begriffen wie „Kalibrierrückverfolgbarkeit“, „Messrückverfolgbarkeit“ oder manchmal sogar nur kurz „Rückverfolgbarkeit“. Formal korrekt muss man jedoch von „messtechnischer Rückführbarkeit“ sprechen. Wenn man nur kurz „Rückverfolgbarkeit“ sagt, kann dies zu Verwechslungen führen, da dieser Begriff auch in vielen anderen Zusammenhängen benutzt wird, wie der Rückverfolgbarkeit von Materialien oder Dokumenten und der Rückverfolgbarkeitsmatrix für Anforderungen usw.

In den USA ist der wohl am häufigsten verwendete Begriff “NIST traceability”. Das NIST (National Institute of Standards and Technology) hat die internationale Definition von messtechnischer Rückführbarkeit aus dem VIM (International Vocabulary of Metrology) übernommen, die im nächsten Kapitel erläutert wird.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die formale Definition von messtechnischer Rückführbarkeit werfen und danach besprechen was Sie tun müssen, um behaupten zu können, dass die Kalibrierungen in Ihrem Werk rückführbar sind.

 

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Formale Definition von Rückführbarkeit

Formale Definition von messtechnischer Rückführbarkeit: Diese Definition basiert auf der offiziellen Definition aus Normen, die am Ende dieses Artikels unter „Verweise“ aufgeführt sind.

Eigenschaft eines Messresultats der zufolge das Resultat über eine lückenlos dokumentierte Kalibrierkette mit einem Bezugswert in Verbindung gebracht werden kann, wobei jede dieser Kalibrierungen zur Messunsicherheit beiträgt.

Die Definition steckt offen gestanden voller hochtrabender Begriffe. Deshalb erachte ich es als zweckdienlicher diese Stück für Stück näher zu beleuchten, um so das Verständnis zu erleichtern.

 

Bild 1: Die messtechnische Rückführbarkeit in der Kalibrierung lässt sich anhand einer Pyramide veranschaulichen. Die Pyramide zeigt die Anordnung der verschiedenen Rückführbarkeitsebenen. Aufgrund der Tatsache, dass alle Ihre Prozessinstrumente in der untersten Ebene angeordnet sind, hängt deren Rückführbarkeit von allen darüber liegenden Ebenen ab.

 

Die messtechnische Rückführbarkeitskette oder Kalibrierrückverfolgung in der Praxis

Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, was messtechnische Rückführbarkeit und Rückführbarkeitskette in der Praxis bedeutet; in einer typischen Prozessanlage von oben nach unten gesehen:

• In Ihrem Werk gibt es viele Prozessinstrumente, wie beispielsweise Transmitter, die regelmäßig mit Ihrem Prozesskalibrator oder einem ähnlichen Messnormal kalibriert werden.

• Der Prozesskalibrator wird in der Regel zur Kalibrierung an ein externes Kalibrierlabor eingeschickt, da dieser Kalibrator als höchstes Bezugsnormal in Ihrem Werk gilt. Alternativ kann der Prozesskalibrator auch mithilfe eines höheren Bezugsnormals werksintern kalibriert werden.

• Das höchste bzw. die höchsten Bezugsnormal(e) in Ihrem Werk wird bzw. werden zur Kalibrierung an ein externes Kalibrierlabor eingeschickt, vorzugsweise an ein akkreditiertes Labor.

Das externe Kalibrierlabor lässt seine Bezugsnormale zur Gewährleistung der Rückführbarkeit von einem nationalen Kalibrierlabor o. ä. kalibrieren.

Die nationalen Kalibrierlabore arbeiten mit Laboren auf internationaler Ebene zusammen und erstellen untereinander internationale Vergleiche, um sicherzustellen, dass ihre Kalibrierungen auf demselben Niveau sind.

Die Labore auf internationaler Ebene benutzen internationale Vergleiche, internationale Definitionen und die Umsetzung des internationalen Einheitensystems (SI-System) als Grundlage für Ihre Messungen.

 

Bild 2: Die messtechnische Rückführbarkeit in der Kalibrierung lässt sich auch anhand einer Kette darstellen.
Die Kette verdeutlicht auf ziemlich anschauliche Weise, dass alles, was unter einem bestimmten Glied hängt nicht rückführbar ist, wenn dieses Glied gebrochen ist.

 

Je höher man die Kette hochklettert, desto kleiner ist die Unsicherheit oder andersherum ausgedrückt: Desto höher die Präzision.

Das oben ausgeführte vereinfachte praktische Beispiel zeigt, wie eine in Ihrem Werk durchgeführte Prozessmessung über eine lückenlose Abfolge von Messungen bis auf internationale Ebene rückführbar ist. Das altgediente Sprichwort „Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.“ erlangt in diesem Zusammenhang volle Gültigkeit. Wenn auch nur ein Glied in der Kette fehlt (oder überfällig ist), verlieren alle Messungen in den darunter liegenden Ebenen ihre Rückführbarkeit und sind fehlerverdächtig.

Es gibt bestimmte Bedingungen, die erfüllt werden müssen bevor Sie sagen können, dass Ihre Prozessmessungen rückführbar sind. Mehr dazu in den nächsten Kapiteln.

 

Wann können Sie behaupten, dass Ihre Messung rückführbar ist?


Fristgerechte Kalibrierungen

Alle Kalibrierungen in der Rückführbarkeitskette müssen in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Es reicht nicht aus Ihr Bezugsnormal einmal kalibrieren zu lassen und es dann über Jahre hinweg zu benutzen ohne in regelmäßigen Intervallen Neukalibrierungen durchzuführen. Messinstrumentkalibrierungen jeglicher Art sind nur für einen bestimmten Zeitraum gültig. Demzufolge verfällt die Rückführbarkeit mit dem Verfalldatum der Kalibrierung.


Jeder Schritt muss dokumentiert werden

Jeder Schritt in der Rückführbarkeitskette muss dokumentiert werden. Dies bedeutet selbstverständlich, dass die Kalibrierergebnisse im Kalibrierzertifikat festgehalten werden; jedoch auch, dass der Kalibriervorgang gemäß einer schriftlich vorgegebenen Vorgehensweise in Einklang mit dem Qualitätssicherungssystem des Unternehmens durchgeführt wird.

Es liegt auf der Hand, dass eine Kalibrierung ohne Kalibrierzertifikat keine richtige Kalibrierung ist und definitiv keine rückführbare Kalibrierung. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Kalibrierungen, die in einer Umgebung mit Qualitätssicherungssystem ohne dokumentierte Verfahrensweisen durchgeführt werden, nicht zuverlässig sind und nicht als rückführbar gelten.

 

Jeder Schritt muss Messunsicherheit enthalten

Laut Definition ist es außerdem wichtig, dass bei jedem Kalibrierschritt in der Rückführbarkeitskette die zugehörige Messunsicherheit dokumentiert wird.

Wenn bei einer Kalibrierung die Daten zur Messunsicherheit fehlen, können Sie diese nicht als rückführbar bezeichnen. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass es ohne Kenntnis und Dokumentation der Unsicherheit passieren könnte, dass ein akkurates Messgerät mit einem weniger akkuraten kalibriert wird. Oder dass der Kalibriervorgang eine derart große Unsicherheit verursacht, dass die Kalibrierung weder gut noch rückführbar ist.

 

Werksinterne Kalibrierungen

In der Regel sind Kalibrierungen, die prozessanlagenintern durchgeführt werden, nicht akkreditiert. Das bedeutet, dass hierfür keine akkreditierten Kalibrierzertifikate ausgestellt werden können. Das ist jedoch vollkommen in Ordnung, da es in den meisten Fällen weder sinnvoll noch erforderlich ist, eine Akkreditierung zu erhalten. Sicherlich könnte man einen externen akkreditierten Kalibrierdienst nutzen, der ins Werk kommt und Ihre Prozessinstrumente kalibriert. In der Praxis wäre dies jedoch in den meisten Fällen vollkommen unangemessen. Selbstverständlich vorausgesetzt, dass Ihr Werk mit einem Qualitätssicherungssystem arbeitet, wie z. B. der Norm ISO 9001. In manchen regulierten Industriebereichen oder bei kritischen Messungen könnten sich akkreditierte Kalibrierungen der Prozessinstrumente jedoch lohnen.

Bei internen Kalibrierungen in Ihrem Werk können Sie die Rückführbarkeit von einem Bezugsnormal auf das nächste oder auf die Prozessinstrumente übertragen und das sogar mehrfach und auf verschiedenen Ebenen. Hierfür müssen jedoch grundlegende Anforderungen erfüllt werden zu denen unter anderem folgende zählen:

• Die Kalibrierergebnisse werden im Zertifikat dokumentiert.
• Es liegen ausreichende Anweisungen für die Durchführung der Kalibrierung vor.
• Es gibt ein Qualitätssicherungssystem.
• Schulung und Kompetenz der Mitarbeiter sind angemessen und dokumentiert.
• Die Unsicherheit der Kalibrierung ist bekannt und dokumentiert.

 

Externe Kalibrierungen – akkreditiert oder nicht?

Damit Rückführbarkeit zu einer Konstante in Ihrem Werk wird, müssen Sie Ihr(e) Bezugsnormal(e) an ein externes Kalibrierlabor zur Kalibrierung einschicken. Die Nutzung eines akkreditierten Kalibrierlabors ist in diesem Zusammenhang höchst empfehlenswert. Es ist nicht Vorschrift ein akkreditiertes Labor zu benutzen. Wenn Sie jedoch ein nicht-akkreditiertes Labor benutzen, müssen Sie selbst sicherstellen (Eigen-Audit), dass das Labor rückführbar ist, was unter anderem folgende Punkte umfasst:

• Die Rückführbarkeit des betroffenen Labors muss dokumentiert sein.
• Das Qualitätssicherungssystem und die entsprechenden Verfahren des Labors funktionieren einwandfrei.
• Die Mitarbeiter verfügen über eine angemessene Kompetenz.
• Die Messunsicherheit der Kalibrierung ist korrekt kalkuliert.
• Die Messunsicherheit der Kalibrierung ist für Ihre Anwendungen geeignet.

Für das Laboraudit, das heißt das Zusammentragen aller erforderlichen Informationen, ist eine Person mit sehr spezifischen Fachkenntnissen erforderlich. Wenn Sie sich für ein akkreditiertes Labor entscheiden, wissen Sie, dass das Labor in regelmäßigen Zeitabständen von kompetenten Auditoren
auditiert wird zur Gewährleistung, dass alles rechtens ist. Die Nutzung eines akkreditierten Kalibrierlabors macht die ganze Angelegenheit für Sie um ein Vielfaches einfacher.

Dennoch bleibt eine Aufgabe immer Ihnen überlassen und zwar handelt es sich hierbei um den letzten Punkt der obigen Liste: Die Gewährleistung, dass die Messunsicherheit des Labors für Ihr Bezugsnormal und Ihre Bedürfnisse geeignet ist, liegt in jedem Fall bei Ihnen. Ich habe mehr als einmal akkreditierte Kalibrierzertifikate gesehen, bei denen die Gesamtunsicherheit der Kalibrierung höher war als die Präzisions- bzw. Unsicherheitsspezifikationen des kalibrierten Bezugsnormals.

Das heißt, auch wenn Sie sich an ein akkreditiertes Kalibrierlabor wenden, um Ihre Bezugsnormale kalibrieren zu lassen, kann es vorkommen, dass dessen Messunsicherheit nicht für Ihre Bedürfnisse geeignet ist. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass die Tatsache, dass ein Kalibrierlabor akkreditiert ist nicht gleichbedeutend damit ist, dass dessen Messunsicherheit für Ihre Anwendungen geeignet bzw. klein genug ist. Es gibt viele akkreditierte Kalibrierlabore, die jedoch unterschiedliche Messunsicherheiten anbieten können. Auch ein Kalibrierlabor mit einer großen Messunsicherheit kann eine Akkreditierung erhalten. Diese Messunsicherheit wird jedoch selbstverständlich im Zertifikat und in den Informationen zur Akkreditierung angegeben. Die Messunsicherheit ist für jedermann ersichtlich und leicht zugänglich. Wenn Sie jedoch Ihre Bezugsnormale kalibrieren lassen, müssen Sie sicherstellen, dass Sie sich hierfür an ein Labor wenden, dass eine passende Unsicherheit für Ihre Bedürfnisse bieten kann. Wenn Sie sich an ein akkreditiertes Labor wenden, werden Sie die genaue Messunsicherheit der Kalibrierung kennen. Wenden Sie sich jedoch an ein nicht-akkreditiertes Labor, bleibt dies im Unklaren. Man sollte immer daran denken, dass es nicht ausreicht, sich an ein Labor mit guten Bezugsnormalen zu wenden, denn auch alles andere muss fachgerecht sein, um die Rückführbarkeit der Kalibrierung gewährleisten zu können.

 

ZUSAMMENFASSUNG

Lassen Sie uns anhand der Definition von messtechnischer Rückführbarkeit die Bedeutung dieses Fachbegriffs in der Praxis zusammenfassen:


Eigenschaft eines Messresultats, der zufolge das Resultat über eine lückenlos dokumentierte Kalibrierkette mit einem Bezugswert in Verbindung gebracht werden kann, wobei jede dieser Kalibrierungen zur Messunsicherheit beiträgt.


In wenigen Worten bedeutet dies, dass jede Kalibrierung Folgendes beinhalten muss, um rückführbar zu sein:

• Kalibrierzertifikat
• Angabe des benutzten Bezugsnormals und der zugehörigen Rückführbarkeit
• Durchführung gemäß dokumentierten Verfahrensweisen
• Lückenlose Kalibrierkette
• Angabe der Messunsicherheit
• Dokumentierte Schulung bzw. Kompetenzen der Mitarbeiter
• Kalibrierungen dürfen nicht abgelaufen sein

 

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Originaler Blog Post: Metrological Traceability in Calibration - Are you traceable?
Veröffentlich: 18.1.2017
Verfasst durch Heikki Laurila.